China will Exekutierten keine Organe mehr entnehmen

Was in China wirklich passiert, weiß außerhalb der Volksrepublik niemand so genau. Sämtliche Informationen und Daten werden vor dem Rest der Welt verborgen und Chinas Einparteienstaat sorgt dafür, dass die Bevölkerung in der Spur bleibt.

Laut Amnesty International exekutiert China jährlich Tausende von Menschen, exakte Zahlen lassen sich nicht feststellen. Sicher ist jedoch, dass die Volksrepublik China  pro Jahr weit mehr Menschen hinrichtet als die gesamte restliche Welt zusammen.

Bislang hat sich China emsig der Organe der Exekutierten bedient; 2012 stammten rund 64% aller Organtransplantate von hingerichteten Häftlingen. Das soll sich ab November ändern. China hat erklärt, zukünftig nicht mehr die Organe der Exekutierten zu transplantieren. Ein kommunistischer Staat beherrscht mehr als 1,36 Milliarden Menschen, kontrolliert das gesamte Land und hat seine eigenen Ansichten und Methoden…  Derzeit gibt es 55 verschiedene Vergehen, für welche die Todesstrafe verhängt werden kann. Ein weiterer trauriger Rekord – und für viele andere Nationen weltweit zudem absurd. Sogar für „schweren Gemüseraub“ kann in China ein Todesurteil ausgesprochen werden.

Gemessen an der immensen Einwohnerzahl, warten dementsprechend viele Menschen auch auf ein Spenderorgan. China hatte mit der Verwendung von Hingerichteten zur Organentnahme  eine immerwährend sprudelnde Quelle, welche sie nun freiwillig aufgibt. Warum? Nun, auch dazu gibt es ein offizielles Statement. Huang Jiefu, der zuständige Leiter des chinesischen Gesundheitsministeriums, sagte aus, es würde sichergestellt, „dass die Quelle der Organe für Transplantationen den gemeinhin akzeptierten ethischen Standards weltweit entspricht“, wie „The Guardian“  kürzlich berichtete.  Daher soll ab November den getöteten Häftlingen zwar nicht das Leben, doch zumindest die Organe bleiben. Keine Organe von Todeskandidaten mehr – das „trübe das Bild Chinas“, hieß es von Seiten der Regierung. Bleibt zu hoffen, dass der kommunistischen Partei Chinas  auch noch ein paar andere Dinge auffallen, die abgeschafft werden müssen… Damit das Land des ewigen Lächelns wieder strahlen könnte, müsste erst die Regierung klar sehen.

China hat ein Projekt ins Leben gerufen. Die freiwillige Organspende. Das ist grundsätzlich keine schlechte Idee. Mehr als 1000 Organe seien durch dieses System bereits zur Verfügung gestellt worden, wie Huang berichtete. Wie das Nachrichtenmagazin „Reuters“ veröffentlichte, benötigen circa 1,5 Millionen Chinesen jährlich eine Organtransplantation. …und was kommt bei der propagierten freiwilligen Organspende herum? Huang lässt uns teilhaben. Während im Jahr 2010 nur 63 Menschen ihren Körper post mortem der Medizin überließen, sind es inzwischen durchschnittlich 130 Menschen pro Monat. Zugegeben, die freiwilligen Organspender haben sich mehr als verzwanzigfacht… Doch man muss kein Mathegenie sein, um zu merken, dass das bei Weitem nicht reicht, um auch nur annähernd genug Transplantate zu haben. Es hat auch mit den entnommenen Organen der Hingerichteten nicht gereicht. Zudem sind seit 2007 Organspenden von Lebenden in China verboten worden, mit Ausnahme von Eheleuten, Blutsverwandten, Stiefgeschwistern etc.  und adoptierten Familienmitgliedern.

Somit dürfte es niemanden überraschen, wenn nun illegaler Organhandel in China an der Tagesordnung stünde. Nun, auch die zum Tode Verurteilten dürfen offiziell nicht ohne deren Einverständnis und deren Familien nach ihrer Exekution als Organspender fungieren. Laut zahlreicher Aussagen von Angehörigen und Augenzeugen hat die Realität jedoch bislang anders ausgeschaut; dies wird von Seiten der chinesischen Regierung verneint. Es existiert auch eine Gruppierung namens „Falun Gong“, welche in China 1999 verboten wurde. Deren Anhänger praktizieren eine Lebenseinstellung mit Elementen aus der Qigong-Praxis, Meditation und moralischer Philosophie und sie lässt sich nicht klassischer Weise als eigentliche Religion einstufen.  Laut chinesischer Regierung gibt es derzeit 2 Millionen Falun-Gong-Mitglieder, die Gemeinschaft selbst spricht hingegen von rund 100 Millionen. Von Seiten der in China verbotenen Gruppierung wurden Vorwürfe laut, dass die Volksrepublik China sich der Organe von Falun-Gong-Gesinnten bediene. Manche Chinesen zeigen ihre Narben, sie erzählen, dass sie für „kleines Geld“ eine Niere verkauft haben. Fest steht, dass China dringend mehr Organspender braucht. Ein wesentlicher Grund, warum nicht mehr Chinesen nach ihrem Tod ihren Körper zur Organspende freigeben, besteht darin, dass sie oft glauben, der Körper sei ein unantastbares Geschenk der Eltern und dürfe nicht entehrt werden.  Eine Organentnahme widerspricht somit dieser Grundeinstellung, bei welcher der Verstorbene möglichst unversehrt verbrannt werden soll.

Doch auch andere Vorstellungen sind tief verwurzelt im chinesischen Volk. So ist „sharenchangming“  auch noch heutzutage in den Köpfen vieler Chinesen omnipräsent. Es ist das Mandarin-Äquivalent zu „Auge um Auge“, „ein Leben für ein Leben“. Das bedeutet mitunter, dass die Mehrzahl der Chinesen keine Bedenken äußert, wenn Exekutierten post mortem die Organe entnommen werden.  Nach sechs Dekaden Kommunismus hat sich die Meinung durchgesetzt, dass der einzelne Mensch zurückstehen muss, wenn es um das große Ganze geht. Das große Ganze… Auch hier unterscheidet sich China im Hinblick auf viele andere Länder dieser Erde. In einem Land, in dem es seit langer Zeit verboten ist, seine eigene Meinung ungestraft zu äußern – und welches mit seinem Einparteienstaat die Richtung klar vorgibt – verwundert es nicht allzu sehr, wenn der Großteil der Bevölkerung einfach das widerspiegelt, was ihm seit Jahrzehnten einzig und allein vorgegeben wird.

Doch trotz aller Widrigkeiten, in der Volksrepublik China sind sich auch genug Menschen der Manipulation seitens des Regimes bewusst und setzen sich unter größten Gefahren für Freiheit und Gerechtigkeit ein. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass China sich offiziell von der Organentnahme der Exekutierten verabschieden möchte. Es gibt noch eine Menge zu tun. Wir sollten nicht einfach über China urteilen, sondern uns stattdessen bewusst sein, dass wir alle Menschen auf dieser einen Erde sind. Freiheit. Wie kann man für Freiheit plädieren, wenn man nur lokal denkt? Wir leben nicht in China und so können wir dieses Land auch nicht in seiner Komplexität erfassen. Doch wir registrieren, dass Menschen unterdrückt und getötet werden. Ganz egal wo auch immer Ungerechtigkeiten vorherrschen, lasst uns nicht wegschauen, sondern die Hand reichen. Es geht nicht um Religion, Politik, Nationalität – es geht um wahrhafte Menschlichkeit – und die ist global!„Freiheit“ bedeutet auch „frei sein“ – und in erster Linie auch frei machen – von sämtlichen Vorstellungen, die unseren Geist und unsere Menschlichkeit trüben könnten. Übrigens, Vergeltung bringt keine Freiheit.

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