Der Autor Christoph Braendle und sein „Wiener Dekameron“ bei „Literatur Im Ground Xiro“

Die 2010 erfolgreich gestartete Reihe „Literatur im Ground Xiro“ geht bereits ins dritte Jahr und steht 2012 unter dem Jahresthema „Beziehungen & andere Verhältnisse“. Der Autor Christoph Braendle liest am 2. Februar im Keller des Szenelokals Xi aus seinem 2011 erschienenen Roman „Das Wiener Dekameron“.

Donnerstag, 2. Februar 2012, 20 Uhr LITERATUR im Ground Xiro
Xi CAFE & BAR, Pazmanitengasse 15, 1020 Wien

Christoph Braendle liest aus „Das Wiener Dekameron“
www.galeriestudio38.at/literatur02
www.metroverlag.at/drupal-7.0/content/das-wiener-dekameron

Alles beginnt dort, wo eigentlich sonst viele Geschichten enden: Ein Feueralarm in einem vornehmen Wiener Pensionistenheim sorgt dafür, dass sich alle Insassen im Garten versammeln. Zehn sind es an der Zahl, sieben Damen und drei Herren, und ihnen allen ist neben dem Wohnsitz das Gefühl der Einsamkeit und Angst gemein. Sie scheinen schon mit dem Leben abgeschlossen zu haben und nur noch auf den Tod zu warten – bis eines Tages die Älteste alle zusammenruft. Sie schlägt vor, dass man sich zehn Tage lang jeden Nachmittag im Garten der Pension treffe, um einander Geschichten zu erzählen. Nicht irgendwelche Geschichten, sondern erotische. Gesagt, getan: Das Wiener Dekameron beginnt. Die Erzählungen Christoph Braendles sind ein Gespinst aus historischen Wahrheiten und Fabulierkunst und handeln von unterschiedlichsten erotischen und sexuellen Facetten: von der Entjungferung im Riesenrad, gewagten Spaziergängen durch das nächtliche Wien oder einer Künstlerloge im Hotel Orient. Die Mutzenbacherin, Casanova, Mozart, Schubert und Grillparzer – alle kommen vor.

Leseprobe:

Einen Moment lang herrschte überraschtes Schweigen. Dann ging es wieder los, das Stimmengewirr, das diesmal aus ebenso vielen Meinungen wie Anwesenden bestand. Man sei nicht pervers, hieß es, man könne das nicht, man kenne keine Geschichten dieser Art. Vor allem die jüngeren unter den Damen wehrten sich. Man habe einen Ruf zu verlieren, meinten sie, oder man habe mit schmutzigen Fantasien nichts am Hut. Dorothee hob noch einmal die Hand. Wir haben nichts zu verlieren, sagte sie, weil wir schon alles verloren haben. Wir können tun und lassen, was wir wollen. Nichts davon wird den Rahmen dieses Gartens verlassen, weil sich außerhalb des Gartens niemand darum kümmert, was hier drinnen geschieht. Sie schlage vor, dass sich alle, die mitmachen wollten, nach dem Mittagessen im Garten versammeln sollten. Thematisch passend zum ersten Tag sollten Geschichten erzählt werden, die vom „ersten Mal“ handelten. Sie werde beginnen, danach werde man entsprechend der Reihenfolge im Alter weitermachen. Sprach‘ s, erhob sich und trippelte davon. (S. 15)

Christoph Braendle, geboren 1953 in der Schweiz, lebt seit 1987 hauptsächlich in Wien. Er schreibt Romane, Essays und Theaterstücke, daneben publiziert er Reportagen in diversen Zeitungen und Magazinen. Er ist Gründer und Leiter des Wiener Salon Theaters, Erfinder und Intendant der Vollmondserenaden, des Museum im Kasten (MiK) und der Reihe Literatur zum Fressen und leitet den Literaturworkshop Wien wörtlich.

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