EHFG 2011: Vergütung nach Ergebnis – ein Weg, Gesundheitsbudgets zu sanieren?

Die Wirtschaftskrise hat eine ohnehin schon angespannte Situation weiter verschärft, sagte der schwedische Gesundheitsfinanzierungsexperte Prof. Bengt Jönsson heute auf einem EHFG-Workshop über die wirtschaftlichen Herausforderungen der Behandlung chronischer Erkrankungen.

Schon vor der Krise war immer weniger Geld für die Finanzierung des medizinischen Fortschritts verfügbar. Ein mögliches neues Konzept: Medizinische Leistungen könnten in Zukunft nach dem Therapieerfolg bezahlt werden.
Bad Hofgastein, 6. Oktober 2011 – Die steigende Lebenserwartung stelle eine große Belastung für die europäischen Gesundheitsbudgets dar, sagte Prof. Dr. Bengt Jönsson (Stockholm School of Economics) heute auf dem Europäischen Health Forum Gastein (EHFG). Der stetige Anstieg chronischer Erkrankungen, insbesondere von Krebs und Erkrankungen des Gehirns, bedeute eine immer größere Belastung für die Gesundheitssysteme, und die europaweite Wirtschaftskrise habe die Gesamtsituation noch verschlimmert.
Auch mittel- und langfristig gäbe es keine Aussicht auf mehr Mittel im Gesundheitssystem, besonders im öffentlichen Sektor. „Dennoch wird die Medizin weiter Fortschritte machen, und dementsprechend werden die Erwartungen der Menschen in bessere Behandlungsmethoden steigen”, sagte Prof. Jönsson. „Wir müssen die vorhandenen Ressourcen effizienter nützen. Chronisch kranke Menschen sind davon abhängig, dass ihre Therapiekosten übernommen werden, und auch davon, dass die öffentliche Hand ihre Mittel in herkömmliche und innovative Medikamente sinnvoll investiert.”
Wo immer eine bessere Verwendung von Gesundheitsbudgets diskutiert wird, seien es stets auch die Medikamentenkosten, die im Fokus der Aufmerksamkeit stünden, so der Experte . „Wenn wir etwa Krebs-Medikamente hernehmen – ähnlich ist es in anderen therapeutischen Bereichen: Sie machen nur einen kleinen Teil, 10 bis 20 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben aus, werden aber immer rasch als Ziel von Kostensenkungen identifiziert.” Und knappe Ressourcen sowie begrenzte Budgets seien unter den Haupthindernissen für den Einsatz neuer Medikamente und bzw. deren Refundierung durch Sozialversicherungen.
Es müssten neue Entscheidungskriterien für die Entscheidung gefunden werden, ob neue Medikamentenkosten aus öffentlichen Mitteln oder denen der Krankenversicherungen refundiert werden sollen oder nicht. Wichtig sei ein Gleichgewicht zwischen der Knappheit der Mittel und dem Vorteil, den Patienten/-innen aus medizinischen Innovationen ziehen können. „Geldverschwendung ist der große neuer Sündenfall”, sagte Prof. Jönsson. „Neue, zielgerichtete Therapien kosten pro Patient sehr viel Geld, und sie falsch anzuwenden hat hohe Opportunitätskosten.”
Prof. Jönsson sieht einen neuen Trend der Gesundheitsfinanzierung: Den Kostenersatz vom Behandlungsergebnis abhängig zu machen: „Die Tendenz geht weg von fixen Budgets und Einzelleistungsvergütungen hin zu Pro-Kopf-Pauschalen oder Diagnose-Pauschalen. Die Vergütung  einzelner Medikamente oder Medizingeräte sind mit dem Prinzip der Kosteneffizienz eigentlich nicht in Deckung zu bringen. Wir sollten uns nach Alternativen umsehen.”
Eine dieser Alternativen seien ergebnisorientierte Vereinbarungen (payment for performance, P4P), so Prof. Jönsson. „Vergütungen, die vom nachweisbaren Behandlungser abhängen.” Dies bedeute eine grundlegende Verlagerung des Risikos zwischen Industrie und Zahlern. Die Industrie würde einen Teil der Verantwortung für die Effizienz des Gesundheitssystems übernehmen müssen.
Ein mögliches Problem eines solchen neuen Geschäftsmodells sei, dass die Behörden oder Sozialversicherungen, die medizinische Leistungen bezahlen auf der einen und die Industrie auf der anderen Seite Behandlungs- und Verlaufsdaten austauschen müssten. Dies sei sensibel, nicht nur im Bereich der Onkologie, dem derzeitigen Hauptanwendungsgebiet ergebnisabhängiger Vereinbarungen. In Italien etwa beträfen 16 von 18 derartiger Abkommen Krebsbehandlungen. In den meisten Vereinbarungen ist das Ansprechen auf die Behandlung als grundlegendes Kriterium zur Evaluierung des Erfolgs festgelegt.
Forschungsinvestitionen der Industrie “müssen belohnt werden”
Prof. Jönsson warnte vor einer anderen möglichen Konsequenz, sollten sich “Zahle-nach-Ergebnis”-Modelle in der Gesundheitsfinanzierung durchsetzen, nämlich eine sehr unterschiedliche Preisgestaltung in Ländern mit hohem bzw. niedrigem Einkommen.
Demgegenüber betonte Jane Griffiths, Company Group Chairman von Janssen Europe, auf dem EHFG, dass die Industrie durch ihre hohen Investitionen in die Erforschung und Entwicklung neuer Medikamente bereits einen sehr substantiellen Teil des Risikos und der Verantwortung trage. “Die Innovationen im Gesundheitswesen haben die Lebenserwartung innerhalb der letzten 20 Jahre stark verbessert. Industrie und Regierungen haben eine gemeinsame Verantwortung, neue Behandlungsmethoden zur Verfügung zu stellen, die das Leben Betroffener verbessern. Es ist die Aufgabe der Industrie, in die Entwicklung neuer Arzneimittel zu investieren und die Aufgabe der Regierungen, Forschung und Innovation auch zu honorieren und mitzuhelfen, den Zugang zu Innovationen zu sichern.”
The EHFG is the most important conference on health care policy in the EU. This year it attracted more than 600 decision-makers from 45 countries for discussions on the latest developments in health care policy.   
EHFG Workshop 4: “The rise in chronic diseases: the health economic challenges.” 5. Oktober 2011
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