Frischer Wind für Ihr Unternehmen: alte Muster und Gruppenstrukturen aufbrechen

Innovative Unternehmen generieren neue Ideen oft in Teamarbeit. Auch Kommunikation und Projektarbeit werden in innovationsorientierten Firmen großgeschrieben. Dies hat viele Vorteile und auf den ersten Blick wirkt ein derartiges Organisationsmodell offen, modern und demokratisch. Dass dieses Idyll trügerisch sein kann und manchmal falsche Entscheidungen die Folge sind, zeigen verschiedene sozialpsychologische Theorien.

Menschen verhalten sich in Gruppen anders, als sie es als Individuum tun. Diese Tatsache kann in Unternehmen genutzt werden, zum Beispiel beim Social Loafing: sind die Einzelleistungen von Gruppenmitgliedern nicht mehr erkennbar, so werden leichte Aufgaben weniger gut, schwere Aufgaben hingegen in Gruppen sehr viel besser gelöst als individuell. Dennoch sollten UnternehmerInnen und Vorgesetzte sich auch der negativen sozialen Einflüsse bewusst sein. Als Beispiel: ein neues Werbekonzept wird mit den MitarbeiterInnen diskutiert, jeder wird von der Führung des Unternehmens angehalten, seine ehrliche Meinung im Plenum zu sagen. Was nach außen hin am Ende nach einer einstimmigen Entscheidung aussieht, kann aber unterschiedlichen gruppendynamischen Phänomenen zuzuschreiben sein und keiner echten Diskussion und Reflexion entspringen.

Die Mehrheit übt Druck aus, aber auch Abweichler können überzeugen

Der Sozialpsychologe Solomon Asch führte in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts ein Experiment zur Erforschung von Gruppenzwang durch. Im Versuchsaufbau waren alle Personen bis auf eine eingeweiht. Es sollte eine einfachen Aufgabenstellung gelöst werden. Wenn die eingeweihten Personen in der Gruppe alle absichtlich eine falsche Antwort gaben, schlossen sich ca. ein Drittel der Versuchspersonen der falschen Aussage  an- und das obwohl die richtige Antwort ganz offensichtlich war. In weiterführenden, leicht abgeänderten Versuchen wurde herausgefunden: Je größer eine Gruppe ist, desto größer ist der Gruppenzwang und desto desto konformer verhalten sich die Menschen. (Details siehe Quelle 1)

Moscovicis Experiment zur Minderheitenmeinung zeigte, dass ein überzeugter Abweichler  auch das Potential hat, Teile der Gruppe auf falsche Pfade zu lenken. Bei Moscovicis Experiment sollte die Farbe von Kreisen bestimmt werden. Die Antwort lag wieder klar auf der Hand, die Kreise waren offensichtlich blau. Wenn ein eingeweihter Abweichler, konsequent grün sagte, brachte er über 8 Prozent der Versuchspersonen dazu, auch grün zu sagen. (Details siehe Quelle 2)

Interessant sind sowohl das Asch-Experiment, als auch das von Moscovici hinsichtlich der Tatsache, dass die richtige Antwort in diesen Fällen den Probanden bekannt war und sie sich trotzdem in ihrer Meinung beirren ließen. Geht man davon aus, dass die MitarbeiterInnen nicht immer 100 Prozent von ihrer Meinung überzeugt sind, so wird es vermutlich noch leichter sein, ihnen eine von ihrer eigenen Tendenz abweichende Meinung unterzuschieben. Kritisch hinterfragen sollte man jedoch, ob die Ergebnisse der Experimente von "Laborbedingungen" eins zu eins auf Unternehmen übertragen werden können.

Die Gruppe neigt zu Extremen

Gruppenentscheidungen fallen wesentlich risikofreudiger aus, als die Entscheidungen von Einzelpersonen. Die Verantwortung wird nicht mehr von dem Individuum getragen und somit auf die Gruppe abgewälzt. Dieses Phänomen wird als Risikoschub bezeichnet. Doch auch das Gegenteil kann eintreten, das so genannte cautious shift: Sind die einzelnen Gruppenmitglieder eher weniger risikoaffin, fällt die Gruppenentscheidung noch vorsichtiger aus. (Details siehe Quelle 3)

Durch den – teilweise auch unbewussten – Druck zu Konsens innerhalb einer Gruppe und die starke Meinungsführerschaft der einen und konfliktvermeidendem Verhalten von anderen kann es auch zu einem gruppendynamischen Phänomen namens “Groupthink” bzw. Gruppendenken kommen. Eigentlich rational denkende, selbstbestimmte Menschen treffen durch die Gruppendynamik eine offensichtlich falsche Entscheidung. Als prominente Beispiele dieses Gruppenverhaltens gelten zum Beispiel die Invasion in die Schweinebucht, der Vietnamkrieg und die Korruption im Enronkonzern. Die Gruppe wird von einzelnen überschätzt, sie vertrauen ihr blind und blenden die Moralität des eigenen Handeln aus. Kritisches Denken ist nicht mehr möglich.

Die Lösung: fehlerhafte Strukturen aufbrechen

Um gruppendynamischen Phänomenen im Unternehmen entgegenzuwirken, empfiehlt sich zum Beispiel die Bestimmung eines so genannten “Advocatus diaboli”. Diese Person trägt die Argumente der Gegenseite vor, ohne ihr anzugehören. Auch anonyme Feedbackmöglichkeiten helfen, falsche Entscheidungen durch Gruppendruck zu umgehen. Bewährt hat sich auch die Methode, Teams von Zeit zu Zeit wieder aufzulösen und neu zu gliedern. Damit werden Gruppendynamiken aufgelöst und neue Ideen können entstehen. Auch empowerment, also die Erweiterung der Kompetenzen und Entscheidungsbefugnisse von MitarbeiterInnen kann eine hilfreiche Maßnahme darstellen. Die Selbstbestimmung und das Selbstbewusstsein von MitarbeiterInnen im Unternehmen werden so gefördert, was sich auch positiv auf ihr Verhalten in Gruppendiskussionen auswirken kann.

Detailliertere Informationen und den genauen Versuchsaufbau der Experimente finden Sie u.a. im Buch Psychologie der Gruppe von Manfred Sader:

1) Das Asch-Experiment
http://is.gd/MLf4Rg

Original Videomaterial des Experiments
http://www.youtube.com/watch?v=iRh5qy09nNw

2) Moscovicis Experiment zum Minoritäteneinfluss
http://is.gd/eU7nJX

3) Risikoschubphänomen
http://is.gd/2yELg4

4) Groupthink
Interessanter Artikel zum Thema in der NYTimes
http://www.nytimes.com/2012/01/15/opinion/sunday/the-rise-of-the-new-groupthink.html?pagewanted=all

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