Präsident Leiner: Kostensenkung u. bessere Behandlung durch weniger Spitäler mit mehr Spezialisierung

Presseaussendung zum 15. European Health Forum Gastein, 3.-6. Oktober 2012: EHFG-Präsident Leiner: Kostensenkung und bessere Behandlung durch weniger Spitäler mit mehr Spezialisierung.

Bereits zum 15. Mal findet im kommenden Herbst das European Health Forum Gastein im Salzburger Bad Hofgastein statt (3. bis 6. Oktober). Der Themenschwerpunkt könnte kaum aktueller sein: „Die Krise als Chance? Gesundheit in Zeiten der Sparpolitik.“ EHFG-Präsident Prof. Leiner fordert, statt bei Leistungen für Patienten im Spitalswesen zu sparen: Weniger, aber dafür spezialisierte Kliniken bringen mehr Effizienz und eine bessere Behandlungsqualität.

Wien/Bad Hofgastein, 5. Juli 2012 – Nicht die Einschränkung medizinischer Leistungen darf eine Antwort auf angespannte Gesundheitsbudgets sein, sondern es bedarf tiefgreifender Veränderungen in der Krankenhausstruktur, um zugleich Einsparungen und bessere Behandlungsqualität zu erreichen. Das betonte der Präsident des European Health Forum Gastein (EHFG) Prof. Dr. Günther Leiner bei der Präsentation des Kongressprogramms 2012: „Das betrifft vor allem die Krankenhausdichte. In vielen europäischen Ländern, und Österreich steht hier gemeinsam mit Deutschland an vorderster Stelle, gibt es nach wie vor zu viele Spitäler, zu viele Spitalsbetten, zu viele Spitalsaufnahmen und eine zu kleinteilige Spitalsstruktur. Das verschlingt nur Ressourcen, die anderswo in der Gesundheitsversorgung dringend gebraucht werden, und ist ein Problem für die Patientensicherheit und die Behandlungsqualität.“

Die aktuelle Wirtschaftskrise verschärfe in vielen europäischen Gesundheitssystemen eine paradoxe Situation, so Prof. Leiner. „Man schreckt in immer mehr Ländern nicht vor massiven Leistungskürzungen zurück, aber andererseits bleibt viel Spar- und Effizienzpotenzial ungenutzt, das zudem noch die Versorgungsqualität verbessern würde. Gibt es eine Vielzahl an Krankenhäusern, die ohne Spezialisierung das gesamte Leistungsspektrum anbieten, kann das wirtschaftlich ineffizient und problematisch für die Patientensicherheit sein. Aktuelle Studien haben vielfach nachgewiesen, dass auch in der Medizin der Grundsatz gilt: Was man nur selten tut, macht man weniger gut, weil die spezialisierte Erfahrung fehlt.“

Die wissenschaftlichen Ergebnisse sprechen eine deutliche Sprache:

  • Eine neue Studie der Stanford University [i]  (USA) zeigt, dass bei so unterschiedlichen Eingriffen wie Aortenaneurysma-, Bypass- oder Magenband-Operationen die Frequenz, mit der sie in einem Zentrum durchgeführt werden, klar in umgekehrter Relation zur Komplikationsrate steht.
  • In Spitälern mit weniger als sechs Herztransplantationen im Jahr ist das Mortalitätsrisiko bei Risikopatienten um 67 Prozent höher als in Zentren mit einem hohen Eingriffsvolumen von mehr als 15 Operationen jährlich. Das zeigt eine Studie der Johns Hopkins Universität. [II]
  • Der Nutzen der hohen Zahl gilt nicht nur für Operationen. Wie eine US-Studie [III]  zeigt, ist das Sterblichkeitsrisiko in großen Zentren mit hohen Fallzahlen bei Herzinfarkt um elf Prozent, bei Herzschwäche um neun Prozent und bei einer Lungenentzündung um fünf Prozent geringer als in kleinen Häusern.
  • Eine österreichische Studie [IV] hat gezeigt, dass mehr Patienten pro Jahr pro Intensivbett signifikant das Risiko senkten, im Krankenhaus zu versterben.
  • In einer deutschen Studie [VI] zeigte sich ähnliches für Herz-Interventionen: Je mehr Eingriffe pro Jahr, desto weniger Todesfälle oder Komplikationen, und umgekehrt. Die Arbeit bezog sich auf die neuen medikamentenbeschichteten Stents, und es zeigte sich, dass Notfalloperationen und Mortalität nach 30 Tagen in Zentren mit niedrigem Volumen deutlich häufiger waren.

Spitals-Europameister sind nicht besser

In den Spitals-Europameistern Österreich (7,7 Krankenhausbetten pro 100.000 Einwohner), Deutschland (8,2) oder Tschechien und Ungarn (7,1) liegt die Bettendichte deutlich über dem Europa-Schnitt und über den Vergleichszahlen von Reform-Vorreiter-Staaten wie Schweden (2,8), Norwegen (3,3) oder den Niederlanden (4,7) . „Solche massiven Unterschiede können keine vernünftigen medizinischen Gründe haben. Die Qualität der Gesundheitsversorgung ist jedenfalls in den Ländern, die im Krankenhausbereich die längst fälligen Schließungen, Zusammenlegungen und arbeitsteiligen Spezialisierungen durchgeführt haben, sicher nicht schlechter“, sagte EHFG-Präsident Leiner. So gelte Holland, einer der Vorreiter bei der Reduktion von Krankenhäusern, gleichzeitig als das Vorbild bei vielen Qualitätsindikatoren, zum Beispiel bei der Bekämpfung multiresistenter Krankenhauskeime.

Prof. Leiner: „Wir dürfen die ökonomischen Probleme der europäischen Gesundheitssysteme nicht dadurch lösen, dass wir kranken Menschen notwendige Behandlungen vorenthalten, sondern indem wir nachhaltig in die Strukturen eingreifen. Das bedeutet nicht unbedingt immer Spitalsschließungen, aber es bedeutet, dass wir Spezialisierungen und Arbeitsteilung brauchen und nicht jedes kleine Haus alles anbietet.“

Fixpunkt der europäischen Gesundheitspolitik: Themenschwerpunkt Wirtschaftskrise und Gesundheit

Das European Health Forum Gastein ist die führende gesundheitspolitische Konferenz in Europa. Mehr als 600 Politiker, Entscheidungsträger, Interessensvertreter und Experten aus Politik und Verwaltung, Wirtschaft und Industrie, Zivilgesellschaft sowie Wissenschaft und Forschung aus rund 40 Ländern diskutieren jährlich in der ersten Oktoberwoche über aktuelle Entwicklungen der europäischen Gesundheitspolitik. Das 15. European Health Forum Gastein von 3. bis 6. Oktober 2012 in Bad Hofgastein steht unter dem Motto „Die Krise als Chance? Gesundheit in Zeiten der Sparpolitik“ (siehe aktuelles Programm unter www.ehfg.org).

Minister und Staatssekretäre aus aller Welt werden wieder wie in den Vorjahren beim EHFG erwartet, als Hauptredner haben u.a. bereits zugesagt:

  • John Dalli, EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherpolitik
  • Bundesminister Alois Stöger, Bundesministerium für Gesundheit
  • Zsuzsanna Jakab, Regionaldirektorin, WHO Europa
  • Martin McKee, Professor, London School of Hygiene and Tropical Medicine
  • Unter den Themen- Highlights in diesem Jahr:
  • Die Folgen der Wirtschaftskrise und der Sparbudgets für das Gesundheitswesen
  • Gesundheit 2050: Künftige Herausforderungen für die Gesundheitssysteme
  • Nicht-übertragbare Krankheiten
  • Medizin der Zukunft – Personalisierte Medizin
  • Moderne Gesundheitskommunikation

EHFG Pressebüro

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[i] Hernandes-Boussard, Health Service Red 2012

[II] Arnaoutakis, American Association for Thoracic Surgery 2011 Annual Meeting

[III] Ross, NEJM, 2010

[IV] Metnitz et al

[V] Circulation 2009, 120:600-606

[VI] OECD, Health at a Glance 2011

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