Herbergssuche für Unternehmen: Auf diese 5 Punkte sollte man bei der Standortwahl genau achten

Wien ist auch ein attraktiver Standort für Unternehmen. Aber welche Lage ist für welche Branche am besten geeignet?
Unterschätzter Industriestandort Wien © pixabay

Tipps von Mag. Claudia Strohmaier, Berufsgruppensprecherin Unternehmensberatung in Wien

Wien – Mangelnde Frequenz, Anrainer-Beschwerden wegen Lärmbelästigung, schlechte Verkehrsanbindung – wer ein Unternehmen gründet, expandiert oder den Standort verlegt, sollte im Vorfeld alle Vor- und Nachteile der neuen Location sorgsam abwägen. Dazu gehören auch sehr viele betriebswirtschaftliche Faktoren, die in der Praxis nur allzu leicht vernachlässigt werden. Die langjährige Unternehmensberaterin und Wiener Berufsgruppensprecherin, Mag. Claudia Strohmaier, erklärt, auf welche Punkte Betroffene in der Praxis besonders achten sollten.

„Fehler bei der Standortwahl lassen sich im Nachhinein oft nur mühsam korrigieren. Deshalb sollte man bei dieser langfristigen Entscheidung im Vorfeld eine umfassende betriebswirtschaftliche Analyse vornehmen, die sehr viele interne und externe Faktoren berücksichtigt“, appelliert Mag. Claudia Strohmaier, Berufsgruppensprecherin Unternehmensberatung in der Wiener Wirtschaftskammer. Fünf Punkte, die in der Praxis manchmal zu wenig mitbedacht werden:

1. Bereits vor der Standortentscheidung über Förderungen informieren
Wer eine passende Gewerbeimmobilie gefunden hat, sieht sich in weiterer Folge meist auch nach Förderungen um. Da die Unterstützungen von Bundesland zu Bundesland zuweilen stark variieren, empfiehlt es sich in gewissen Branchen auch den umgekehrten Weg zu gehen: Sich zuerst über Förderungen informieren und dann erst die Standortwahl treffen. Die Wirtschaftskammer bietet eine umfangreiche Förderdatenbank, wobei in der Unternehmensberatungspraxis bereits bei der Erstellung des Businessplans darauf Bedacht genommen wird, um das jeweilige Maximum an Unterstützungen voll auszuschöpfen. In Wien bietet beispielsweise auch die Wirtschaftsagentur Wien eine gute Übersicht über Landesförderungen.

2. Pachthöhe, Miete oder Kaufpreis in den Produkten einkalkulieren
Die Anforderungen an einen Standort gehen je nach Geschäftszweig oft weit auseinander. Wer auf starke Kundenfrequenz angewiesen ist, ist in dicht besiedeltem Gebiet oder Einkaufszentren bzw. Einkaufsstraßen wohl am besten bedient. Wer wiederum teure Markenprodukte im Schaufenster hat, wird in Innenstadtlagen oder Nobelvierteln am meisten Kundenpotenzial vorfinden. Allerdings ist das auch immer eine Frage der Immobilienpreise. „Ganz gleich, ob eine Gewerbeimmobilie gemietet, gekauft oder ein bestehender Betrieb gepachtet wird – die Berücksichtigung dieser Gemeinkosten in den Verkaufspreisen der Produkte oder Dienstleistungen ist ein wichtiger Faktor, damit sich ein Geschäftsmodell auch rechnet“, erklärt Strohmaier. Auch eine sorgfältige Analyse der bestehenden Konkurrenzsituation in der Nähe der eigenen Immobilie ist je nach Branche sehr zu empfehlen.

„Manchmal ist die Übernahme einer bestehenden Anlage der unkompliziertere Weg, sofern diese Genehmigungen bereits vorliegen. In diesem Fall sollte man allerdings auch den Grund für die Weitergabe der Immobilie sehr genau hinterfragen und bei unplausiblen Argumenten besonders penibel nach potenziellen Schwachstellen suchen“

Mag. Claudia Strohmaier (Berufsgruppensprecherin Unternehmensberatung in der Fachgruppe UBIT Wien) ©dieVogelperspektive
Mag. Claudia Strohmaier (Berufsgruppensprecherin Unternehmensberatung in der Fachgruppe UBIT Wien) ©dieVogelperspektive

3. Besondere Genehmigungen bei Lärm, Geruch oder Rauch
Wer einen neuen Produktionsbetrieb errichten will, sollte sich in der Regel eher günstige Grundstücke am Stadtrand oder in Industriegebieten suchen. Allerdings bedürfen gewisse Betriebsanlagen einer besonderen Genehmigung, vor allem wenn diese mittels Lärm, Geruch, Rauch oder auf andere Art und Weise die Nachbarn verärgern oder die Umwelt beeinträchtigen könnten. „Manchmal ist die Übernahme einer bestehenden Anlage daher der unkompliziertere Weg, sofern diese Genehmigungen bereits vorliegen. In diesem Fall sollte man allerdings auch den Grund für die Weitergabe der Immobilie sehr genau hinterfragen und bei unplausiblen Argumenten besonders penibel nach potenziellen Schwachstellen suchen“, mahnt Strohmaier.

4. Anbindung an die „Infrastrukturen des 21. Jahrhunderts“
Ein immer wichtigerer Faktor bei der Standortwahl ist auch eine gute Verkehrsanbindung. Das gilt nicht nur für Produktionsbetriebe, die einen reibungslosen An- und Abtransport ihrer Waren gewährleisten müssen, sondern auch für den Wettlauf um die besten Mitarbeiter am Arbeitsmarkt. War früher ein möglichst großer Parkplatz und ein gut ausgebautes Straßennetz in der Nähe ein attraktiver Magnet, punkten heute Standorte eher damit, wenn Bahnhöfe oder Straßen- und Bushaltestellen bequem zu Fuß erreicht werden können. Auch eine schnelle Glasfaseranbindung gehört zu den gefragten Infrastrukturen des 21. Jahrhunderts und ist außerhalb von Ballungszentren wie Wien noch nicht in allen Regionen Österreichs eine Selbstverständlichkeit.

5. Erstellung eines Zukunftsplans vor der Übersiedlung
Unternehmen, die stark expandieren und denen der alte Standort daher allmählich zu klein wird, finden in der Nähe manchmal keine geeigneten Grundstücke, um ihren Betrieb auszubauen. Auch das führt nicht selten dazu, dass sich Unternehmen auf die „Herbergssuche“ nach einem geeigneten Ersatz begeben. Zu beachten ist, dass die Standortverlegung an die zuständige Gewerbehörde gemeldet werden muss. In Wien ist dies der Magistrat, in kleineren Gemeinden in der Regel die Bezirkshauptmannschaften. Vor der Standortverlegung ist zudem die Erstellung eines Zukunftsplans und die genaue Analyse des neuen Areals von zentraler Bedeutung. Nicht zuletzt deshalb, um zu verhindern, dass in ein paar Jahren neuerlich ein Ortswechsel zum Thema wird.

Spezialtipp vom Digitalexperten und UBIT Wien Obmann

„Für Mitglieder der Wirtschaftskammer Wien gibt es seit geraumer Zeit mit ecoGIS kostenlosen Zugriff auf eine digitale Standort-Entscheidungshilfe. Angefangen von aktuellen Baustellen bis hin zu laufenden Widmungsverfahren werden in dieser Webapplikation die unterschiedlichsten Faktoren aufgelistet“, erklärt UBIT Wien Obmann, Mag. Martin Puaschitz. Eine auf die jeweiligen Bedürfnisse der Betriebe zugeschnittene Unternehmensberatung könne dieses nützliche Tool allerdings nicht ersetzen.

Berufsgruppe Unternehmensberatung der Fachgruppe UBIT Wien
Mit rund 23.000 Mitgliedern ist die Wiener Fachgruppe für Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie (UBIT) die größte Fachgruppe Österreichs und vertritt als Standesvertretung deren Anliegen und Interessen. Die Berufsgruppe Unternehmensberatung besteht aus mehr als 7.000 Wiener Unternehmensberaterinnen und Unternehmensberatern, die umfangreiche Beratungsfelder abdecken und zu den wichtigsten Know-how Lieferanten für die Wiener Wirtschaft gehören. Die Berufsgruppe setzt sich vor allem für ein stärkeres Bewusstsein über die Möglichkeiten und Potenziale professioneller Unternehmensberatung ein. Übergeordnetes Ziel ist es, Wien als attraktiven Standort für wissensbasierte Dienstleistungen zu etablieren.  www.ubit.at/wien
 

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Manfred Haider

Himmelhoch GmbH
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