Immer mehr Rückenschmerzen bei Kindern und Jugendlichen

EFORT 2013: Europäischer Orthopädiekongress mit 7.500 Teilnehmern/-innen in Istanbul

Immer mehr Kinder und Jugendlichen leiden an Rückenschmerzen, darauf weisen aktuelle Studien hin. Die Häufigkeit der Beschwerden nimmt mit dem Alter zu, und wer schon in Kindheit und Jugend Rückenschmerzen erlebt, hat eine erhöhtes Risiko, das Leiden auch als Erwachsene/-r zu haben, berichteten Experten/-innen auf dem EFORT Kongress in Istanbul. Die Ursachen sind noch weitgehend unklar.

Istanbul, 6. Juni 2013 – Neuere Studien weisen für Rückenschmerzen bei Kindern und Jugendlichen eine höhere Häufigkeit aus als ältere wissenschaftliche Arbeiten, wie eine aktuelle Meta-Analyse zeigt. „Es ist noch nicht ganz klar, ob das eine tatsächliche Zunahme der Beschwerden widerspiegelt, oder in erster Linie ein verstärktes Bewusstsein für das Problem“, sagte Dr. Teija Lund (ORTON Orthopädisches Krankenhaus, Helsinki) auf dem 14. Kongress der Europäischen Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie (EFORT) in Istanbul. Mehr als 7.500 Experten/-innen diskutieren hier aktuelle Entwicklungen in ihrem Fachgebiet. „In jedem Fall ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten das wissenschaftliche Interesse am kindlichen Rückenschmerz enorm gestiegen.“

Noch in den 1980er Jahren war eine weit verbreitete Lehrmeinung, dass Rückenschmerz bei Kindern und Jugendlichen nur als Folge einer schwerwiegenden Erkrankung auftreten würde. „Epidemiologische Studien weisen inzwischen allerdings nach, dass Rückenschmerzen in dieser Altersgruppe ein weit verbreitetes Phänomen sind, mit Prävalenzraten von bis zu 60 Prozent. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu und erreicht in der Spätpubertät jene bei Erwachsenen“, berichtete Dr. Lund. Mädchen haben ein höheres Risiko, an Rückenschmerzen zu leiden, als männliche Jugendliche.

Eine von Dr. Lund durchgeführte prospektive Langzeitstudie hat gezeigt, dass 59 Prozent der Schüler/-innen, die von ihrem Schuleintritt bis zur Volljährigkeit beobachtet wurden, im Alter von 18 bis 19 Jahren an Rückenschmerzen litten. Zu Studienbeginn, als die Studienteilnehmer/-innen zwischen sieben und acht Jahre alt waren, betraf das Problem neun Prozent der Kinder.

Risikofaktor Lebensstil?

Was die Erforschung von Ursachen für vermehrte Rückenschmerzen bei Kindern und Jugendlichen betrifft, so liefert die Wissenschaft noch widersprüchliche Ergebnisse. „Eine Reihe von Studien hat den Einfluss von Lebensstil-Faktoren untersucht, unter anderem Übergewicht, Rauchen, körperliche Aktivität und die Zeit, die vor dem Bildschirm verbracht wird“, erklärte Dr. Lund. „Bisher lassen sich daraus aber noch keine klaren Schlussfolgerungen ziehen.“ Hinweise gibt es darauf, dass auch sportliche Betätigung, eine vermeintlich eindeutig positive Strategie gegen den Rückenschmerz, differenziert zu betrachten ist. „Die bisherigen Studien deuten darauf hin, dass sowohl ein bewegungsarmer Lebensstil als auch Leistungssport das Rückenschmerz-Risiko fördern“, fasste Dr. Lund zusammen. Allerdings handle es sich vorwiegend um Querschnitt- und nicht Langzeitstudien, die nur Zusammenhänge, aber noch keine Kausalität etablieren können.

Perspektive: Ursachen identifizieren, Präventionsmaßnahmen entwickeln

Eine besonders wichtige Entwicklung sei es, so Dr. Lund, dass sich die Medizin inzwischen mit muskuloskelettalen Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen, und insbesondere mit Rückenschmerzen, auseinandersetze. Nachdem Rückenschmerzen im Kindes- und Jugendalter als der stärkste Prädiktor für Rückenschmerzen bei Erwachsenen gelten, ergäben sich klare Implikationen, so die Expertin: „Wenn wir an die weite Verbreitung des Phänomens Rückenschmerzen denken – nahezu jede/-r von uns macht irgendwann im Lauf seines Lebens Erfahrungen damit – und an die finanziellen Folgen für die Gesundheits- und Sozialsysteme, muss die möglichst frühe Prävention von Rückenschmerzen höchste Priorität haben.“ Es seien mehr Langzeitstudien erforderlich, um zuverlässig Risikofaktoren für Rückenschmerzen bei Kindern und Jugendlichen identifizieren und entsprechende Präventionsempfehlungen entwickeln zu können.

Hintergrund EFORT

Die European Federation of National Associations of Orthopaedics and Traumatology (EFORT) ist die Dachorganisation orthopädischer Fachgesellschaften in Europa. EFORT wurde 1991 im italienischen Marentino gegründet. Heute gehören ihr 42 nationale Mitgliedsgesellschaften aus 43 Ländern und sechs assoziierte wissenschaftliche Organisationen an.

EFORT ist eine Non-Profit Organisation. Das Ziel der Mitgliedsgesellschaften ist es, den Austausch von wissenschaftlichem Fachwissen und von Erfahrungen in der Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten und Verletzungen des muskuloskelettalen Systems zu fördern. EFORT organisiert europäische Konferenzen, Schulungen, Kurse, Foren und Kongresse. Ferner werden von EFORT Grundlagenforschung und klinische Forschung initiiert und unterstützt.

Quelle: EFORT Speciality Session: Low back pain in children and adolescents: Epidemiology and risk factors

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