Ist gute Laune ansteckend? Deutsche Wirtschaft könnte mit ihrem Optimismus auch Österreich beflügeln

Die “Eurokrise” und ihre Auswirkungen auf die Weltwirtschaft sind derzeit ein viel diskutiertes Thema. Prognosen zur weiteren Entwicklung gibt es viele, doch genauso wie viele ExpertInnenmeinungen zum Thema haben sie eines gemeinsam: sie sind allesamt wenig optimistisch.

Hier überraschen die aktuellen Werte des Ifo-Index: Deutschland scheint der Weltwirtschaftskrise zu trotzen, denn deutsche Unternehmen blicken derzeit positiv gestimmt in die Zukunft. Diese Tendenzen beim größten Handelspartner Österreichs können sich auch auf die heimische Wirtschaft auswirken.

Die Entwicklung der Weltwirtschaft (siehe auch Zusatzinfos unten), wurde – unter anderem auch wegen der in den Medien vielbeachteten “Eurokrise” als eher negativ eingeschätzt. Im Januar 2012 senkte zum Beispiel die Weltbank ihre Konjunkturprognose und warnte vor einem “globalen Finanzkollaps”. In einem derart instabilen Klima stieg der ifo-Index in Deutschland interessanterweise zum dritten Mal in Folge. Ein Aufwärtstrend über drei Monate in Folge wird unter ÖkonomInnen normalerweise als Trendwende beurteilt. Grundlage für diese Beurteilung ist die so genannte “Dreimal-Regel” des ifo-Instituts, die laut einer Studie von André Kunkel (ifo-Institut) eine “hohe Besätndigkeit in den letzten Jahren aufwies”. Aufgrund der instabilen Weltwirtschaftslage sind ExpertInnen jedoch derzeit noch zögerlicher mit einem so positiven Urteil.

Der ifo-Geschäftsklimaindex als Frühindikator für die deutsche Wirtschaft

Der ifo-Geschäftsklimaindex des ifo-Instituts (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V.) wird monatlich erstellt und gilt als Indikator für die wirtschaftliche Stimmung in Deutschland. Die Daten werden anhand von Unternehmensbefragungen erhoben. Jeden Monat werden die Einschätzungen von rund 7.000 Unternehmen aus den Branchen des verarbeitenden Gewerbes, des Großhandels und Einzelhandels sowie des Baugewerbes anhand eines Fragebogens abgefragt. Der ifo-Geschäftsklimaindex beurteilt verschiedene Faktoren der gewerblichen Wirtschaft wie zum Beispiel die Einschätzung des Geschäftsklimas, die Geschäftsbeurteilung und die Geschäftserwartungen. Derzeit liegt der ifo-Index des Geschäftsklimas bei einem Wert von 108,3. Konkret bedeutet dies, dass das Geschäftsklima von Unternehmen im Januar 2012 im Vergleich zum Vormonat als positiver beurteilt wird. Auch die Geschäftserwartung sind merklich aufgehellt, der Wert stieg von 97,1 im Oktober 2011 auf 100,9 im Januar 2012. Für Österreich kann die aktuelle Entwicklung in Deutschland positive Konsequenzen haben. Nach einer Herabstufung des Staates Österreich auf AA+ von Standard & Poor’s käme dies der heimischen Wirtschaft gelegen. Österreich ist wirtschaftlich eng verknüpft mit der deutschen Wirtschaft: 31 Prozent der Exporte gingen im Jahr 2010 nach Deutschland und 39,5 Prozent aller Importe kamen aus Deutschland – Deutschland ist somit Österreichs wichtigster Handelspartner. Ein positives Geschäftsklima in Deutschland ist daher für die österreichische Wirtschaft von großer Bedeutung.

Industrie mit der größten Zuversicht, Einzel- und Großhandel eher zurückhaltend

Deutsche Industrieunternehmen schätzen die derzeitige Geschäftslage etwas positiver ein, ihre Geschäftsperspektiven hingegen deutlich günstiger als noch vor einem Monat. Ebenso stiegen die Exporterwartungen und auch die Personalplanung entwickelt sich in deutschen Unternehmen besser, was mehr Einstellungen zur Folge haben könnte.

Die Kapazitätsauslastung hingegen ist geringer als noch Ende letzten Jahres. Interessant ist die Tatsache, dass der Geschäftsklimaindex im Einzelhandel gesunken ist.  Die Unternehmen im Einzelhandel schätzen auch die Geschäftsentwicklung weniger positiv ein. Eine ähnliche Tendenz zeichnet sich im Großhandel ab:  Die derzeitige Lage wird als weniger positiv als im vergangenen Monat beurteilt, die Geschäftserwartungen hingegen schätzen Großhändler positiver ein.

Kritik am ifo-Geschäftsklimaindex

Zu früh freuen sollte man sich angesichts der Prognosen des ifo-Index auch in Österreich nicht. Denn die Prognose des ifo-Instituts ist in Deutschland nicht unumstritten. Jürgen Seitz, Journalist des Bayerischen Rundfunk, sieht den ifo-Index kritisch: Einerseits sei der ifo-Index als “reiner Stimmungsindikator” zu sehen und besitze nicht die Mittel, etwas über den tatsächlichen Konjunkturverlauf auszusagen. Vielmehr diene die monatliche Veröffentlichung des ifo-Index zur Selbstinzenierung und als Werbung des ifo-Instituts. Der Fragebogen, der monatlich vom ifo-Institut an 7.000 Unternehmen in Deutschland ausgegeben wird, wäre mit seinen Antwortalternativen von “schlecht” über “befriedigend” bis “gut” teilweise sehr einfach und undifferenziert gestaltet. Ferner fehle auch die Transparenz zur genauen Errechnung des Index. Seitz kritisiert unter anderem auch, dass der ifo-Index aufgrund seiner zyklischen Entwicklung nur das beschreibe, was bereits bekannt sei.

Linktipps:

Bundeszentrale für politische Bildung – Globalisierung
http://www.bpb.de/wissen/6IL140,0,0,%D6konomische_Teilhabe.html
Das ifo Geschäftsklima für die Gewerbliche Wirtschaft
http://www.cesifo-group.de/portal/page/portal/ifoHome/a-winfo/d6zeitreihen/15reihen/_reihenkt

ifo-Institut – Dreifach-Regel
http://www.cesifo.de/pls/guest/download/ifo%20Diskussionsbeitraege/ifodpaper80.pdf

Einschätzung der Eurokrise von Hans-Werner Sinn (29.10.2011 – Welt Online)
http://www.welt.de/wirtschaft/article13686275/Die-Euro-Krise-beginnt-jetzt-von-vorne.html

Statistik Austria – Eckdaten Außenhandel
http://www.statistik.at/web_de/services/wirtschaftsatlas_oesterreich/aussenhandel/index.html

Bayerischer Rundfunk – ifo-index. Die mächtige Messzahl
http://www.br.de/themen/aktuell/inhalt/ifo-index100.html

Mehr Informationen zur Kritik am ifo von Jürgen Seitz sowie den Fragebogen zum Download findet man unter folgendem Link:
http://www.br.de/themen/aktuell/inhalt/ifo-index100.html

Zusatzinfo zum Thema Weltwirtschaft

Der Begriff der Weltwirtschaft scheint einfach erklärt zu sein und ist für heutige Generationen ein völlig natürliches Phänomen. Tatsächlich ist die Weltwirtschaft, also der internationale, grenzüberschreitende Warenhandel, noch relativ jung. Zahlen der Bundeszentrale für politische Bildung Deutschland (bpb) illustrieren die Veränderung sehr gut. Der reale, d.h. inflationsbereinigte Warenexport nahm vom Jahr 1960 bis 2008 um den Faktor 15,1 zu. Die Anzahl der exportierten Waren erhöhte sich um 5,8 Prozent, die weltweite Produktion um 3,5 Prozent pro Jahr.

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