Knochenkrebs: Endoprothesen retten Beine, wachsende Prothesen für Kinder

EFORT 2013: Europäischer Orthopädiekongress mit 7.500 Teilnehmern/-innen in Istanbul

Knochentumoren machen oft große Operationen erforderlich, bei denen erhebliche Teile einer Extremität entfernt werden müssen. Früher bedeutete das: Amputation. Heute ist es – nicht zuletzt dank verbesserter implantierbarer Prothesen – möglich, in vielen Fällen den Arm oder das Bein zu erhalten. „Mitwachsende“ Prothesen für Kinder haben die Behandlungsmöglichkeiten bei jungen Krebspatienten/-innen deutlich verbessert, berichteten Experten/-innen auf dem EFORT Kongress in Istanbul.

Istanbul, 5. Juni 2013 – Die fortgesetzte Entwicklung der Endoprothesen hat die Ergebnisse bei Operationen wegen Knochenkrebs laufend verbessert. Solche Prothesen werden erforderlich, weil bösartige Tumoren häufiger in der Nähe der großen Gelenke wachsen, welche im Rahmen der Operation ganz oder zumindest teilweise mit dem Tumor entfernt werden müssen. „Die Trendumkehr von Amputationen zu extremitätenerhaltenden Eingriffen hat vor mehr als 30 Jahren eingesetzt, inzwischen wurden Amputationen bei Tumoren in der Nähe des Knies auf einen Prozentsatz von unter zehn Prozent zurückgedrängt. Die Wahl des geeigneten Verfahrens hängt im Wesentlichen von der Ausdehnung des zu entfernenden Knochenareals und der verbleibenden Funktion der zu erhaltenden Extremität ab“, sagte Univ.-Prof. Dr. Reinhard Windhager (Medizinische Universität/Allgemeines Krankenhaus Wien) beim 14. Kongress der Europäischen Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie (EFORT) in Istanbul.Derzeit diskutieren dort 7.500 Experten/-innen aktuelle Entwicklungen ihres Fachgebiets.

Die Rekonstruktion nach Krebsoperationen könne nicht mit einem Gelenkersatz beispielsweise in Folge einer Arthrose verglichen werden, so Prof. Windhager, weil der durch die Operation entstehende Defekt viel größer ist und folglich auch andere Probleme aufwirft. Das betrifft nicht zuletzt die Konstruktion der einsetzbaren Gelenksprothesen. Zusätzlich kompliziert wird die Lage durch die begrenzten Erfahrungen, denn primäre bösartige Knochentumoren sind zum Glück selten und die Patienten/-innen-Zahlen daher gering.

Problem postoperative Infektionen

Seit kurzem stehen nun publizierte Daten zur Verfügung, die eine Abschätzung der Vor- und Nachteile der einzelnen Systeme sowie der erzielbaren Ergebnisse ermöglichen. Ein Multicenter-Review, an dem Prof. Windhager beteiligt war, wertete Daten von 2.174 Patienten/-innen aus, die nach Krebs-Operationen Endoprothesen erhalten hatten. Aus diesem Kollektiv wurden jene Fälle identifiziert, in denen es zu Problemen mit der Prothese gekommen war. Insgesamt fand die Studie 534 Fälle mit Komplikationen. Die häufigste Ursache waren Infektionen. Prof. Windhager: „Infektionen sind ein zentrales Problem nach der Implantation großer Prothesen. Dazu trägt auch der Zustand vieler Patienten/-innen bei, deren Immunsystem oft zusätzlich durch die Chemotherapie beeinträchtigt ist.“ Ungeachtet der Weiterentwicklungen in der Prothesen-Technik gibt es nach wie vor Patienten/-innen, bei denen auch zur Knochentransplantation gegriffen werden muss, um den durch eine onkologische Operation entstandenen Schaden zu begrenzen.

Gute Langzeitergebnisse für „mitwachsende“ Kinder-Prothesen

Eine besondere Herausforderung stellen Krebsoperationen an Kindern dar. Bei diesen kommt Knochenkrebs häufiger vor als bei Erwachsenen, es sind heute allerdings auch die Chancen auf eine vollständige Heilung sehr gut. Bei Patienten/-innen, die sich noch im Wachstum befinden, sollten implantierte Prothesen idealerweise mitwachsen. „Man kann diese Prothesen mehrfach mittels eines Magneten, also durch die Haut, verlängern. Dazu ist keine neuerliche Operation erforderlich“, sagte Prof. Windhager, der entscheidend an der Entwicklung von „mitwachsenden Prothesen“ beteiligt war. Am Wiener AKH haben seit den 1980er Jahren 71 Patienten/-innen solche mitwachsenden Prothesen erhalten. Die guten Langzeitergebnisse wurden kürzlich von Prof. Windhager und seiner Gruppe publiziert. Nicht ganz geklärt ist, wie es mit den verlängerbaren Prothesen weitergeht, wenn die Betroffenen ihre volle Körpergröße erreicht haben. Aufgrund der hohen Belastungen, denen diese mechanischen Systeme ausgesetzt sind, entschließt man sich in der Regel zur Implantation einer neuen Prothese mit fixer Größe, die den Patienten/-innen dann für die nächsten Jahrzehnte ein weitgehend normales Leben ermöglicht.

Hintergrund EFORT

Die European Federation of National Associations of Orthopaedics and Traumatology (EFORT) ist die Dachorganisation orthopädischer Fachgesellschaften in Europa. EFORT wurde 1991 im italienischen Marentino gegründet. Heute gehören ihr 42 nationale Mitgliedsgesellschaften aus 43 Ländern und sechs assoziierte wissenschaftliche Organisationen an.

EFORT ist eine Non-Profit Organisation. Das Ziel der Mitgliedsgesellschaften ist es, den Austausch von wissenschaftlichem Fachwissen und von Erfahrungen in der Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten und Verletzungen des muskuloskelettalen Systems zu fördern. EFORT organisiert europäische Konferenzen, Schulungen, Kurse, Foren und Kongresse. Ferner werden von EFORT Grundlagenforschung und klinische Forschung initiiert und unterstützt.

Quellen: EFORT Symposium: Status of the art: Lower limb reconstruction in orthopaedic oncology; Henderson ER et al. Failure mode classification for tumor endoprostheses: retrospective review of five institutions and a literature review. J Bone Joint Surg Am. 2011 Mar 2;93(5):418-29; Schinhan M et al. Growing prostheses for reconstruction of lower limb defects in children. Oper Orthop Traumatol. 2012 Jul;24(3):235-45 

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