Pressegespräch 25. September 2012, Innsbruck: Dreiländertreffen Herzinsuffizienz

Herzmuskelerkrankungen: Bessere Diagnoseerkrankungen, innovative Therapien

Innsbruck, am 25. September 2012 – Drei Tage lang dreht sich in Innsbruck alles ums Herz: Aktuelle Trends sowie neue Diagnose- und Behandlungsmethoden bei schwerwiegenden Herzerkrankungen diskutieren Experten/-innen aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und Südtirol beim Kongress „Dreiländertreffen Herzinsuffizienz“ vom 27. bis 29. September in Innsbruck (www.herzinsuffizienz-d-a-ch.org).

Ein zentrales Thema sind die sogenannten „idiopathischen“ Herzmuskelerkrankungen. Rund ein Drittel aller Herzschwäche (Herzinsuffizienz)-Patienten/-innen, also rund 80.000 Menschen in Österreich, leiden an einer solchen „idiopathischen“ Herzmuskelerkrankung. „Bis vor kurzem blieben bei dieser Form die Ursachen für den fortschreitenden Abbau der Herzleistung im Dunkeln. Mit immer besseren diagnostischen Möglichkeiten können wir jetzt aber dahinter liegende Gründe wie Viruserkrankungen, hormonelle Veränderungen in der Schwangerschaft oder genetische Zusammenhänge entschlüsseln. Das ist schon deshalb wichtig, weil das die Voraussetzung für eine gezielte, ursächliche Therapie ist, die natürlich immer günstiger ist, als wenn nur die Symptome behandelt werden – insbesondere dann, wenn wir eine reversible Ursache finden können“, sagt Tagungsorganisator Univ.-Doz. Dr. Gerhard Pölzl von der Universitätsklinik für Innere Medizin III, Innsbruck.

Wichtige Perspektive für 80.000 Betroffene

Eine wenig bekannte Ursache für schwer wiegende Herzmuskelerkrankungen in jungen Jahren kann eine Schwangerschaft darstellen. „Eine erst seit kurzem entdeckte Rolle spielt dabei das Still-Hormon Prolaktin. Diese Erkrankung ist zwar selten – wir an der Innsbrucker Klinik sehen etwa fünf Fälle im Jahr -, hat aber einen besonders schwer wiegenden Krankheitsverlauf, der mit Prolaktin-hemmenden Medikamenten behandelt werden muss“, so Doz. Pölzl.

Eine andere Ursache für Herzmuskelerkrankungen liegt paradoxerweise gerade in den Fortschritten der Medizin: Immer mehr Krebspatienten/-innen überleben ihre Tumorerkrankung, entwickeln dann aber aufgrund der toxischen Belastung mit Strahlen- und Chemotherapie eine Herzmuskelschwäche.

Eine weitere wichtige Ursachengruppe sind Herzmuskelentzündungen aufgrund von Virenerkrankungen. Hauptverantwortlich ist hier Parvovirus B-19. „Dieser Erreger ist an sich harmlos, im Laufe des Lebens haben gut 90 Prozent der Bevölkerung Kontakt mit diesem Virus, doch neueste Erkenntnisse zeigen, dass es bei einer entsprechenden genetischen Disposition zu dramatischen Entwicklungen für das Herz kommen kann“, sagt Doz. Pölzl. „Diese Einsichten ermöglichen uns jetzt erstmals, auch erfolgreich therapeutisch an den Ursachen anzusetzen.“

Erstes kardiogenetisches Programm in Innsbruck

Die Kardiogenetik, also die Entschlüsselung genetischer Faktoren, ist eines der Hoffnungsgebiete schlechthin, wenn es um Herzmuskelerkrankungen geht, für die bis vor kurzem keine Ursache entdeckt werden konnte. „Hier ist eine hochspezialisierte, subtile Diagnostik notwendig, die nur an wenigen Zentren zur Verfügung steht. Wir in Innsbruck sind im Moment die einzige kardiologische Abteilung in Österreich, die ein Kardio-Genetik-Programm in Zusammenarbeit mit der Humangenetik anbietet“, sagt Doz. Pölzl. „Können wir die genetischen Grundlagen von Herzmuskelerkrankungen finden, so ist es uns möglich, gezielter zu behandeln, Risiken besser abzuschätzen und Betroffene besser zu betreuen.“

Ein wichtiges Ziel dieses Kongresses sei es, dieses neue Wissen auf einer breiten Basis bekannt zu machen, sagt der Tagungsorganisator. „Herzerkrankungen, die wir früher als idiopathisch bezeichnet haben, haben erklärbare Ursachen, denen unbedingt nachgegangen werden muss. Es ist daher entscheidend, dass gerade diese Gruppe von Patienten/-innen zur Abklärung in spezialisierte Einrichtungen weiter verwiesen wird.“

Mitralklappen-Schwäche: Neuartiges Clip-Verfahren statt Operation

Das betrifft auch neue Wege in der Behandlung von Herzklappenerkrankungen – einem mit der demographischen Entwicklung zunehmenden Problem. „Die Häufigkeit von Klappenerkrankungen nimmt mit dem Alter deutlich zu: Bei 55jährigen liegt sie bei rund zwei Prozent, unter den Über-75jährigen sind bereits 13 Prozent betroffen. Das bedeutet nicht nur, dass hier eine enorme Krankheitslast auf uns zukommt. Es bedeutet auch, dass gerade bei den Patienten/-innen, die besonders behandlungsbedürftig sind, eine herkömmliche Herzklappenoperation wegen des hohen Alters und vieler Begleiterkankungen problematisch ist“, sagt OA Dr. Christian Ebner, Leiter der Arbeitsgruppe Herzinsuffizienz der ÖKG, Krankenhaus der Elisabethinen Linz / II. Interne Abteilung. „Hier eröffnen neue Katheter-basierte Eingriffe als Alternative zur Operation am offenen Brustkorb neue Therapieoptionen.“

Eine wichtige Innovation gibt es hier bei der Mitralklappeninsuffizienz. Jeder Dritte, der einen Herzinfarkt überlebt, und jeder zehnte Mensch über 75 leidet an einer relevanten Undichtheit der Mitralklappe – einer der vier Klappen des Herzens. 35 bis 50 Prozent aller Herzinsuffizienz-Patienten/-innen haben eine behandlungsbedürftige Mitralklappenundichtheit.

Einige Spitäler in Österreich bieten jetzt eine neuartige Alternative zur belastenden Klappen-Operation mittels Katheter und Clip-System an. „Dieses neue Angebot ist schon deshalb relevant, weil derzeit nur etwa die Hälfte aller Patienten/-innen, die einen Eingriff benötigen würden (linksventrikuläre Pumpleistung von nur 30 bis 60 Prozent), auch tatsächlich operiert werden, weil aufgrund des hohen Alters oder von Begleiterkrankungen das Risiko als zu hoch eingeschätzt wird“, so OA Dr. Ebner.

Bei der neuen Methode der Mitralklappen-Reparatur werden via Katheter die freien Enden des mittleren Abschnitts des vorderen und hinteren Mitralklappen-Segels mit einem speziellen Clip (MitraClip) verbunden, und so die undichten Anteile der Mitralsegel mit dem Clip abgedichtet. Ein wichtiger Vorteil gegenüber der herkömmlichen Operation, so der Experte: „Der Brustkorb muss nicht geöffnet werden, das Herz nicht stillgelegt werden, es ist keine Herz-Lungen-Maschine notwendig. Patienten/-innen können bereits nach einem Tag wieder die Intensivstation verlassen, nach einer herkömmlichen Operation erst nach drei Tagen bis einer Woche.“

Aktuelle Studien zeigen, dass zwar die chirurgische Klappensanierung die Undichtheit etwas besser reduzieren kann, aber in der MitraClip-Gruppe weniger Komplikationen auftraten, die Patienten/-innen in einem besseren klinischen Zustand waren, und es zeigte sich eindeutig ein positiver Effekt auf die Herzleistung und Belastbarkeit. Bisher wurden in Österreich knapp 100 Patienten/-innen mit dieser Methode, die vor allem für schwer kranke, nicht für eine Operation geeignete Menschen angezeigt ist, behandelt.

OA Dr. Ebner: „Die Methode steht bei uns im Moment noch in begrenztem Ausmaß zur Verfügung. Angeboten wird sie von vier österreichischen Krankenhäusern: dem Krankenhaus der Elisabethinen in Linz, den Universitätskliniken in Innsbruck und Wien und dem Wiener Krankenhaus Hietzing, geplant ist der Einsatz in Zukunft auch in Graz, Salzburg und St. Pölten. Es gibt auch finanzielle Hürden, weil die Krankenhäuser im Moment den Eingriff nicht refundiert bekommen und aus eigenen Mitteln tragen müssen.“

Kunstherz & Pumpensysteme: Künftige Alternative zur Transplantation?

Große Fortschritte gibt es auch im Bereich implantierbarer Pumphilfen oder „künstlicher“ Herzen, berichtet Univ.-Prof. Dr. Herwig Antretter von der Universitätsklinik Herzchirurgie, Innsbruck. „Bei schwersten Schädigungen kann das kranke Herz zur Gänze entfernt und vollständig durch ein Kunstherz ersetzt werden. Das erste kommerziell verfügbare ‚total artificial heart‘ (TAH) in Österreich wurde 2008 von uns in Innsbruck implantiert.“

Die wesentlich häufiger eingesetzte Form derartiger „künstlicher“ Herzen sind sogenannte ventrikuläre Assistenzsysteme (VAD), moderne Pumphilfen, die die Pumpkapazität der geschädigten Herzen wesentlich ergänzen. Das kranke Herz bleibt im Körper, die Pumphilfe übernimmt den überwiegenden Teil der Herzfunktion. „An der Innsbrucker Universitätsklinik haben wir bisher mehr als 100 solcher innovativer Herzunterstützungssysteme eingesetzt, 20 Prozent davon bei Kindern. Österreichweit sind bisher mehrere hundert VADs implantiert worden. Angeboten werden solche Eingriffe ausschließlich an den drei Universitätskliniken Wien, Innsbruck und Graz“, so Prof. Antretter.

Ursprünglich wurden diese Systeme vorwiegend aus zwei Gründen eingesetzt. Einmal, um die Zeit zu einer möglichen Genesung zu überbrücken („bridge to recovery“). Das wichtigste Einsatzgebiet war bisher die Überbrückung zur Transplantation („bridge to transplant“), um den drohenden Herztod auf der Warteliste für ein Spenderherz abzuwenden und Betroffene bis zu diesem Eingriff zu stabilisieren.

Eine neue und rasch an Bedeutung gewinnende Entwicklung ist der Einsatz der künstlichen Pumpen als „destination therapy“: also nicht bloß als Überbrückung, sondern als dauerhaftes Implantat statt eines Spenderherzens. „Man rechnet mit einer Lebensdauer von 10 bis 15 Jahren für diese Implantate. Dieser Anwendungsbereich wird aus verschiedensten Gründen wichtiger“, sagt Prof. Antretter. „Zum einen haben wir leider auch in Österreich, trotz der im Vergleich zu anderen Ländern günstigen gesetzlichen Lage, einen Mangel an Spenderorganen. Zum anderen kommt eine Herztransplantation für eine Reihe von Patienten/-innen nicht mehr in Frage, zum Beispiel für ältere Menschen mit Begleiterkrankungen, oder für Tumorpatienten/-innen, bei denen die anschließende Immunsupression nicht möglich ist. Ihnen kann mit einer VAD-Implantation geholfen werden.“

Ein gravierender Grund, warum die ursprünglich nur als Überbrückung gedachten künstlichen Pumpsysteme als Dauerlösung auch immer mehr an Bedeutung gewinnen, ist der technologische Fortschritt bei den VADs. Sie werden immer kleiner, leistungsfähiger und laufend wird an weiteren Innovationen gearbeitet. „Die Lebensqualität ist beachtlich“, berichtet Prof. Antretter. „Ich gehe davon aus, dass wir in 20 bis 25 Jahren solche „künstlichen Herzen“ genauso routinemäßig einsetzen werden wie heute etwa Herzschrittmacher. Dann werden Herztransplantationen tatsächlich weitestgehend überflüssig werden. Schon auf dem Weg dorthin werden daher VADs eine immer wichtigere Säule der Herzinsuffizienz-Therapie werden.“

Die ausführlichen Statements der zitierten Experten finden Sie unter: http://www.bkkommunikation.com/de/journalistenservice/aktuell/.

Kontakt:
B&K – Bettschart & Kofler Kommunikationsberatung
Dr. Birgit Kofler, Mag. Thea Roth
Telefon: 01 -3194378-11; Mobil: 0676-6368930
E-Mail: kofler@bkkommunikation.com

Weiteres Bildmaterial