Europäischer Schmerz-Kongress:Qualität der Schmerzbehandlung in Europa sehr ungleich verteilt – Harmonisierung durch Fortbildungsinitiativen

EFIC 2011: VII. Europäischer Schmerz-Kongress, 21.-24. September 2011, Hamburg Qualität der Schmerzbehandlung in Europa sehr ungleich verteilt – Harmonisierung durch Fortbildungsinitiativen

Trotz wichtiger Fortschritte in der Schmerztherapie klaffen die Behandlungsstandards in Europa weit auseinander, wobei die osteuropäischen Staaten die größten Defizite zeigen, sagten Experten/-innen heute beim Europäischen Schmerz-Kongresses EFIC in Hamburg. Spezielle Fortbildungsprogramme der EFIC zielen auf eine Qualitätsverbesserung durch Harmonisierung ab.

Hamburg, 22. September 2011 – „Trotz der bedeutenden Fortschritte in der Schmerztherapie im vergangenen Jahrzehnt gibt es immer noch viele europäische Länder, die diese Entwicklungen für die Patienten/-innen noch nicht verfügbar gemacht haben“, sagte Ass.-Prof. Dr. Nevenka Kr?evski-Škvar? (Maribor, SLO), Honorary Secretary der EFIC, heute auf dem Europäischen Schmerz-Kongress EFIC 2011 in Hamburg. „Besonders zwischen den west- und den osteuropäischen Staaten, aber auch unter den osteuropäischen Staaten selbst, finden wir beträchtliche Ungleichgewichte. Wir von EFIC sind der Überzeugung, dass jede/-r Europäer/-in die gleichen hohen Standards der Schmerzbehandlung geboten bekommen sollte. Aus diesem Grund haben wir eine Vielzahl spezieller Fortbildungsprogramme entwickelt, um dieses Gefälle auszugleichen.”

Unterbehandlung aufgrund von Entwicklungsdefiziten und Vorurteilen

„Das Problem der Unterbehandlung von Schmerz in den Balken-Ländern sowie in den Staaten, die früher durch den Eisernen Vorhang von westlichen Entwicklungen abgeschnitten waren, ist vor allem eine Folge von Unterschieden in der wirtschaftlichen Entwicklung, der Entwicklung der Gesundheitssysteme und der politischen Entwicklung in der Zeit des Übergangs. Politiker/-innen in Ländern mit wenig entwickelten demokratischen Standards sind auch weniger bereit, auf Experten/-innen und die Bedürfnisse der Bevölkerung zu hören”, erläuterte Ass.-Prof. Kr?evski-Škvar?. Dies führe unter anderem zu Einschränkungen in der Verfügbarkeit von Opioiden und anderen wichtigen Schmerzmedikamenten. Ärzte/-innen vor Ort, die sich der Erfordernisse einer zeitgemäßen Schmerztherapie bewusst sind, seien in ihrem Bemühen, leidenden Patienten/-innen zu helfen, mit Inkompetenz und frustrierenden Hindernissen konfrontiert.

Die Probleme variieren von Land zu Land. „In der Ukraine zum Beispiel sind keine oralen Morphine verfügbar, obwohl sie für die Schmerzbehandlung von Palliativpatienten/-innen dringend benötigt würden. Auch die Verschreibungsdosen für Morphininjektionen für Palliativpatienten/-innen sind beschränkt, weil hier Abhängigkeitsprobleme unterstellt werden, obwohl das wissenschaftlich längst widerlegt ist. In vielen osteuropäischen Ländern, etwa den Balkan-Staaten Bosnien-Herzogovina und Kroatien, bezahlen die sozialen Krankenversicherungen keine Antikonvulsiva und Antidepressiva, obwohl diese mittlerweile Schlüsselmedikamente in der Behandlung vieler neuropathischer Schmerzsyndrome darstellen”, so Ass.-Prof. Kr?evski-Škvar?. In den meisten Ländern der Region gäbe es weder nationale Schmerzmanagement-Programme noch spezialisierte Schmerzkliniken, in denen Patienten/-innen multidisziplinäre und multimodale Behandlungsmöglichkeiten angeboten werden.

EFIC: Optimale Schmerztherapie soll nicht vom Wohnsitz abhängen

„Wir können nicht akzeptieren, dass eine adäquate Schmerzbehandlung davon abhängt, wo eine Person lebt. Der Beitrag von EFIC zum Abbau dieser Defizite konzentriert sich auf die Wissensvermittlung, in der Hoffnung, dass gut informierte Mediziner/-innen größeren Einfluss auf Entscheidungsträger/-innen ausüben können”, so Ass.-Prof. Kr?evski-Škvar?.

Das erfolgt über EFIC-Kongresse, elektronische Newsletter, gedruckte und elektronische Versionen des Fachjournals European Journal of Pain, sowie die Website der EFIC. Dort erhalten Mitglieder Zugang zur laufenden Arbeit des Dachverbands nützliche Informationen und Material zum Selbststudium, wie etwa P.A.I.N., Change Pain und Pain Proposal.

Spezielle Fortbildungsprogramme für schwer zugängliches Know-how

EFIC beschränkt sich jedoch nicht auf theoretische Information. „Wenn Sie nicht die Möglichkeit haben, die Theorie in der Praxis umzusetzen, sind sie in diesen Möglichkeiten nicht geübt – ein Problem, dem viele osteuropäische Ärzte/-innen gegenüberstehen”, betonte Ass.-Prof. Kr?evski-Škvar?. „EFIC bietet daher praktische Fortbildungsprogramme für Ärzte/-innen aus Osteuropa, zum Beispiel über den Gebrauch von Opioiden und anderen Medikamenten und Behandlungen, mit denen sie bisher nicht arbeiten konnten, inklusive dem Umgang mit Komplikationen und Nebenwirkungen.”

Die wichtigsten Projekte:

· EFIC Schmerz-Kurse in Klagenfurt und Montescano, wo für eine bestimmte Zahl von Teilnehmern/-innen aus Osteuropa die Reise- und Unterkunftskosten abgedeckt werden;

· Fortbildungsförderungen (Educational Support Grants) für die EFIC-Mitgliedsorganisationen in Osteuropa zur Finanzierung ihrer eigenen Fortbildungsprogramme vor Ort;

· EFIC-Stipendien (EFIC Fellowships) für die Ausbildung von Mitgliedern der verschiedenen Schmerz-Gesellschaften in einem von 10 anerkannten Schmerz-Zentren;

· EGG-Förderung (EFIC-Gruenenthal-Grant) zur Finanzierung von Schmerzforschungsprojekten

Erfolge bereits sichtbar

„Diese Projekte laufen nun seit fünf Jahren, und die Nachfrage steigt enorm”, berichtete Ass.-Prof. Kr?evski-Škvar?. „Glücklicherweise steigt auch die Zahl der Förderungen und Stipendien, die EFIC vergeben kann. Die schönsten Ergebnisse jedoch sind die praktischen Erfolge in den betroffenen Ländern. In Bosnien-Herzegovina werden analgetische Medikamente heute viel öfter sachgerecht eingesetzt. In Bosnien-Herzegovina, Kroatien und Slowenien steigt die Anzahl verfügbarer Schmerzmittel und führt zu einer besseren Schmerzkontrolle bei vielen Patienten/-innen. In einigen osteuropäischen Ländern, zum Beispiel Slowenien, gibt es nun Richtlinien für die Therapie von Krebsschmerzen und Nichttumorschmerzen sowie nationale Palliativschmerzprogramme, nach denen Betroffene behandelt werden. In Albanien hat das Gesundheitsministerium die Wichtigkeit spezieller Schmerzbehandlungsmodalitäten anerkannt. In der Slowakei und in Tschechien wurde Schmerzmedizin als eigenes medizinisches Spezialfach etabliert. Und in Polen gibt es das Projekt einer Post-Graduate-Ausbildung in Schmerztherapie.”

Über EFIC und den EFIC-Kongress „Pain in Europe“

Der 1993 gegründete Europäische Dachverband nationaler Schmerzgesellschaften (European Federation of IASP® Chapters – EFIC®) ist eine multidisziplinäre Fachgesellschaft auf dem Gebiet der Schmerzforschung und -medizin, der derzeit 35 nationale Mitgliedsgesellschaften („Chapters“) der International Association for the Study of Pain (IASP®) angehören. Diese nationalen Mitgliedsgesellschaften in 35 Ländern Europas repräsentieren rund 20.000 Ärzte/-innen, Grundlagenforscher/-innen, Pflegepersonen, Physiotherapeuten/-innen, Psychologen/-innen und andere Gesundheitsexperten, die in der Schmerztherapie und Schmerzforschung tätig sind. Die Ziele von EFIC sind Forschung, Aus- und Fortbildung und klinische Behandlungspraxis zum Thema Schmerz zu fördern, sowie als maßgebliche, unabhängige wissenschaftlich fundierte Informationsquelle zu gesundheitspolitischen Themen zur Verfügung zu stehen, die Schmerz und sein Management betreffen. „Pain in Europe VII“ in Hamburg (21. bis 24. September 2011) ist der 7. EFIC-Kongress seit 1995. EFIC-Kongresse sind zu einem beliebten europäischen Forum geworden, 2011 werden bereits mehr als 4.000 Teilnehmer/-innen verzeichnet. Die Kongressteilnehmer/-innen stammen großteils aus Europa, die Delegierten kommen jedoch insgesamt aus 75 Ländern.

EFIC Pressestelle:
B&K Medien- und Kommunikationsberatung
Dr. Birgit Kofler
Tel. während des Kongresses: +49-40-3569-5310
Tel. nach dem Kongress: +43-1-3194378-13
Mobil: +43-676-6368930
E-Mail: kofler@bkkommunikation.com

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