Experten/-innen fordern Anerkennung von IT-Innovationen in der Neurologie

Selbsthypnose bei Migräne per Smartphone, Demenz-Messung mit dem Laptop in Echtzeit, Epilepsie-Dokumentation mittels Homevideo: Experten/-innen fordern Anerkennung von IT-Innovationen in der Neurologie.

Smartphone-„Apps“ zur Evaluation von Demenz direkt am Krankenbett, Selbsthypnose-Programme aus dem Handy bei Migräne-Attacken, detaillierte 3D-Animationen von Gehirn und Nervenbahnen in der Therapieplanung, konsequenter Einsatz von Home-Videos zur präziseren Epilepsie-Diagnose, mit kontinuierlichen Selbstverbesserungsroutinen ausgestatteten E-Learning-Plattformen für die Aus- und Weiterbildung: Das sind nur einige Beispiele für den Einsatz innovativer Informations-Technik (IT) in der Neurologie, von denen Patienten/-innen und Ärzte/-innen profitieren können. Auf dem Europäischen Neurologenkongress in Prag wurden die Möglichkeiten und Grenzen dieser Technik-Revolution für die neurologische Praxis diskutiert.

Prag, 11. Juni 2012 – „Die moderne Informationstechnik- und insbesondere die Smartphone-Revolution haben für Neurologen/-innen, neurologische Patienten/-innen und deren Angehörige völlig neue Horizonte eröffnet. Diese reichen von vereinfachter Information und Aufklärung für Betroffene über Erinnerungen zur Medikamenteneinnahme bis hin zu Selbsthypnose per Handy bei Migräne-Attacken. Neurologen/-innen können heute per Laptop rasche Einschätzungen des Demenz-Status ihrer Patienten/-innen vornehmen, sie können mittels Home-Video dokumentierte Epilepsie-Anfälle bei der Diagnose und Therapie berücksichtigen. Sie werden bei der Diagnose von digitalisierten Migräne- oder Epilepsie-Tagebüchern ihrer Patienten/-innen unterstützt, und sie profitieren von den Vorteilen von Fern-Lernprogrammen, die sich selbst laufend verbessern.“ Das berichtete Dr. Hannah Cock (St. George’s University, London) heute auf dem 22. Meeting der Europäischen Neurologengesellschaft (ENS). Auf diesem wissenschaftlichen Großereignis kommen in Prag mehr als 3.000 Experten/-innen aus aller Welt zusammen. Dr. Cock: „Der nächste Schritt muss sein, diese neuen Optionen weithin bekannt zu machen und konsequent in den klinischen Alltag zu integrieren, um diese diagnostische und therapeutische Verbesserungen auf breiter Basis zu nützen.“

Für Patienten/-innen: Selbsttherapie und Gedächtnisstützen

Patienten/-innen vereinfachen schon heute neue Smartphone-Applikationen das Leben auf vielfältige Weise: Zum Beispiel durch „Gedächtnisstützen“ wie das Migräne- oder Epilepsietagebuch für die genaue und zeitnahe „Buchführung“ der Attacken durch die davon betroffenen Patienten/-innen, was Ärzten/-innen die präzisere Einstellung der Therapie ermöglicht. Oder durch verbesserte Versionen der schon länger bekannten „Pill Reminder“, in denen nun auch komplexe Einnahmevorschriften vieler unterschiedlicher Medikamente und Einnahmerhythmen programmiert werden können – ein wirksamer Schutz vor Fehl- oder Untermedikation durch überforderte Patienten/-innen.

Migräne-Patienten/-innen können aber in ihrem Handy jetzt auch ein Therapieprogramm mit sich führen: „’Alleviate Migraine’ (Lindere die Migräne) aus der Reihe ‚iCan Hypnosis’ ist ein Selbsthypnoseprogramm, mit dem die Kopfschmerzattacken bereits im Anfangsstadium abgefangen oder gelindert werden sollen,“ so Dr. Cock: „Das eröffnet Patienten/-innen eine völlig neue Nutzen-Dimension, weil diese Technologie praktisch immer und überall einsetzbar ist.“

Für Ärzte/-innen: Von Demenzdiagnose bis Aufklärung

Neurologen/-innen profitieren davon, dass innovative Programme immer mehr Aspekte ihres Fachgebiets über iPhone oder Android jederzeit Manteltaschen-handlich verfügbar machen. „Zum Beispiel erlauben standardisierte Tools die unmittelbare Einschätzung der Schwere von Demenz, indem Patienten/-innen am Touchscreen bestimmte Aufgaben zu bewältigen versuchen, die in Echtzeit ausgewertet werden. Anwendungen wie der ‚Sylvius MR-Atlas des menschlichen Gehirns’, der ‚Nerve Whiz’ oder der ‚ECG-Guide’ erleichtern es uns, Patienten/-innen zu zeigen, wo das Problem liegt oder an welcher Stelle behandelt werden muss“, so Dr. Cock. „Wenn es früher manchmal schwierig war, zu erklären, was genau bei einer Gehirnoperation geschehen wird, kann ich es mittels ‚Brain Tutor 3D’ nun plastisch und dreidimensional auf meinem Handy oder Tablet-Computer zeigen. Das ist ein Quantensprung in der Patienten/-innen-Aufklärung.“

Home-Video erleichtert Epilepsie-Diagnose

Auch die mittlerweile fast allgegenwärtige Möglichkeit, zuhause Videos aufzunehmen, kann Neurologen/-innen die Arbeit wesentlich erleichtern und ihre Behandlungen treffsicherer machen. „Wenn die Angehörigen von Patienten/-innen zum Beispiel mit Epilepsie, bestimmten Bewegungsstörungen oder Schlafstörungen dazu angeleitet werden, solche Ereignisse aufzuzeichnen, haben wir eines unserer wichtigsten Probleme gelöst: die Unzuverlässigkeit der Schilderungen von Zeugen/-innen, die oft nicht wissen, welche Details des Anfalls für uns wichtig sind und ihre Erinnerungen vielfach erst in deutlichem Zeitabstand und entsprechend ungenau zu Papier bringen“, erläuterte Dr. Cock. „Auch diese Möglichkeiten sollten unseren Kollegen/-innen bewusst gemacht und durch geeignete Angehörigen-Schulungen in den Alltag eingebaut werden.“

Projekt ebrain: „Selbstlernender“ Fernlehrgang in Klinischen Neurowissenschaften

Einer der bedeutendsten Vorteile des Internet ist die Ortsunabhängigkeit von Information sowie die Möglichkeit, diese multimedial aufzubereiten. Diese Vorteile nutzt das Projekt ebrain, die bisher ehrgeizigste neurowissenschaftliche E-Learning-Plattform mit bereits 10.000 registrierten Usern/-innen – darunter Medizinstudenten/-innen, Ärzte/-innen in Ausbildung und Spezialisten/-innen in verschiedenen Bereichen der Neurowissenschaften wie Neurologie, Neurochirurgie, Neuropsychiatrie oder Neurophysiologie.

„Als Initiative des britischen Joint Neurosciences Council, die von der ENS mitfinanziert wurde und europaweit zur Verfügung steht, stellt ebrain den kompletten Stand heutiger Neurowissenschaften zur Verfügung – in 550 Lektionen, die jeweils in handlichen 20 Minuten zu bewältigen sind“, so Dr. Cock. Sie leitet gemeinsam mit Prof. Simon Shorvon (University College London), Prof. Simon Thompsom (Leed Teaching Hospitals NHS Trust) und Prof. Thomas Berger (Medizinische Universität Innsbruck) das multidisziplinäre Herausgeberteam. „Stolz sind wir dabei nicht nur auf die Fülle an multimedialem Material, das technisches Know-how viel anschaulicher vermittelt als es viele Seiten schriftlicher Anleitungen vermöchten, und dadurch ein völlig neues, ganzheitliches Lernerlebnis möglich macht“, so Dr. Cock. „ebrain ist mehr als nur ein elektronisches Lehrbuch mit neuen Angeboten wie dem Fall des Monats oder Webinars, die im gesamten Jahr 2012 angeboten werden. Kursteilnehmer/-innen, die für die bewältigten Lektionen ihr elektronisches Zertifikat erhalten wollen, müssen dafür auch ein Feedback abgeben, aufgrund dessen wir das Programm laufend optimieren.“

Quelle: Projekt ebrain: www.ebrainjnc.com/index.html.

ENS Pressestelle:

Dr. Birgit Kofler
B&K Bettschart&Kofler Kommunikationsberatung
e-mail: kofler@bkkommunikation.com
Tel.: +43-1-3194378-13
Mobil: +43-676-6368930
Skype: bkk_Birgit.Kofler

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